INFOBEITRAG: „Junge Leute müssen lernen, sich durchzusetzen“
- Mareike Graf im Interview
- Erfahrungen als berufene Bürgerin, Stadträtin und Vorsitzende des Jugend- und Sozialausschusses
Mareike Graf, 28 Jahre, studierte Politik und Englisch auf Lehramt und leistet derzeit in Berlin ihr Referendariat ab. Sie war in Arnstadt als berufene Bürgerin tätig und ist seit 2014 Stadträtin und Vorsitzende des Jugend- und Sozialausschusses, derzeit ruhen ihre Ämter. Das Interview führte Arne Nowacki
Wie bist du in die Kommunalpolitik gekommen?
Das kam dadurch, dass ich Politik studiert habe. Ich habe Englisch und Politik auf Lehramt studiert und war politisch sehr engagiert. Irgendwann hatte mich mal Jens Petermann, der war Bundestagsabgeordneter in der 17. Legislaturperiode, gefragt, ob ich bei ihm im Bundestag arbeiten möchte. Das war alles ganz beeindruckend und ganz schön. Dadurch habe ich auch Frank Kuschel kennen gelernt und dann war ich etwa zwei Jahre berufene Bürgerin im Jugend- und Sozialausschuss. Zu den Kommunalwahlen 2014 bin ich dann selbst angetreten.
Warum bist du zur Wahl antreten?
Hauptsächlich wohl, weil ich mich besonders in Arnstadt für Kinder, Jugendliche, Sport und vor allem auch Frauen einsetze. Das war für mich dann das Instrument, um das dann auch tatkräftiger ausüben zu können. Natürlich habe ich auch mit anderen Leuten darüber geredet, aber vor allem bin ich angetreten, weil es mein eigener Wunsch war.
Da du vorher schon berufene Bürgerin warst, hattest du ja auch schon Einblicke in die Kommunalpolitik. Gerade von Jüngeren heißt es, dass sie die häufig als trocken und eher langweilig empfänden. Siehst du das auch so?
Als langweilig habe ich die Kommunalpolitik nie empfunden, ganz im Gegenteil. Gerade als junger Mensch ist man ja oft in Vereinen oder so aktiv, und da berühren einen kommunalpolitische Themen ja auch, auch wenn das zuerst gar nicht so klar ist. Aber das sind die Orte, wo Politik mit der eigenen Lebenswelt quasi verschmilzt. Deswegen habe ich das nie als dröge oder so empfunden, sondern eigentlich immer als was wo man mitmachen kann.
Kannst du dich noch an deine erste Stadtratssitzung erinnern?
Meine erste Sitzung, um Gottes Willen. Ja, ich war aufgeregt, es war spannend. Ich bin auch eines der jüngsten Stadtratsmitglieder und mit Abstand die jüngste Frau. Ja es war schon auch… Also ich habe schon auch sofort gemerkt, wie kritisch man so beäugt wird als junger Mensch. Aber auf jeden Fall aufgeregt, und spannend. War halt was Neues, ne?
Wurdest du nur kritisch beäugt, oder haben dir die anderen Stadträte dir wegen deines Alters auch Probleme gemacht?
Ja, leider. Das verfolgt mich, würde ich sagen, bis heute. Also aus meiner eigenen Fraktion absolut gar nicht. DIE LINKE ist da ja auch sehr entspannt und sehr offen. Aber vor allem so von CDU Seite und so, da wird man doch oft hinterfragt. Gerade in meinem eigenen Ausschuss gibt es Mitglieder, die dann doch immer wieder versuchen…ja, anstatt eher konstruktive Kritik zu üben, mich als Person zu kritisieren. Dazu gehört auch der Arnstädter Bürgermeister, der das nicht so richtig gut findet, dass ich als junge Frau im Stadtrat sitze und mit dem ich auch gerne aneinandergerate. Das ist auch immer wieder dieses Dilemma, das mich stört: Politik braucht oder will oder wünscht sich junge Leute. Sind diese jungen Leute aber da und bringen auch noch ein bisschen Erfolg mit, dann ist das alles gleicher wieder nicht so prall und wird relativiert. Man wird dann schon wieder mehr als Bedrohung wahrgenommen als als Unterstützung. Das ist irgendwie immer so dieses Dilemma, mit dem man sich so auseinandersetzen muss. Gegen das man sich so behaupten muss.
Schaffst du es, dich dagegen zu behaupten?
Ja. Ich glaube, da bringt mein Beruf einen ganz guten Grundrespekt mit, aber man muss sich dagegen schon zur Wehr setzen, man muss sich auch ein dickes Fell zulegen und auch lernen, gewisse persönliche Spitzen zu ignorieren und einfach fachlich zu bleiben. Das hat mich am Anfang auch viel Kraft gekostet, gerade auch weil persönliche Belange so eine große Rolle spielen. Das merke ich im Ausschuss noch stärker, weil es natürlich auch viele andere gab, die den Vorsitz gern übernommen hätten. Wenn dann so persönliche Missgunst dazu kommt, dann ist der Inhalt leider fast unwichtig. Da muss man sich halt mit dem ein oder anderen schwierigen Kommentar rumschlagen. Aber wenn es am Ende wirklich drauf an kommt sind wir alle erwachsene Menschen und können uns irgendwie einigen. Aber es ist halt immer ein langer, schwieriger und, ja, emotional belegter Weg bis dahin.
Kann dich deine eigene Fraktion unterstützen?
Also Frank Kuschel, der Fraktionsvorsitzende, war am Anfang immer als Doppelbesetzung mit mir in meinem Ausschuss. Einfach auch um mir ein Stück weit Halt zu geben. Das empfand ich als sehr, sehr wichtig und auch wirklich als hilfreich, das hat mir wirklich sehr geholfen. Ansonsten ist es in der Tat auch so, dass wenn frauenfeindliche Spitzen kommen oder so, dass die Männer der Fraktion sich dann auch geschlossen vor uns Frauen stellen. Solche Unterstützung erhält man dann schon, ja.
Als deine Schwerpunkte hast du Kinder, Jugend, Sport und Frauen benannt. Was für konkrete Themen hast du bearbeitet, was für Erfolge verbuchen können?
In Arnstadt werden vor allem Fasching, Fußball und Feuerwehr unterstützt und gepusht. Das ist nicht unbedingt ein Problem und hat mich persönlich nicht gestört, aber die anderen Bereiche wurden da oft ein wenig vergessen. Ich habe ganz intensiv mit unserer Frauen- und Gleichberechtigungsbeauftragten, Frau Kowa, zusammengearbeitet, um Menschen mit Einschränkungen zu unterstützen und ein barrierefreies Arnstadt zu ermöglichen. Dazu haben wir mit Bürgerbeteiligung einen Teilhabeplan auf den Weg gebracht. Das ist schon ein Erfolg, vor allem auch weil wir das gegen den Widerstand unseres Bürgermeisters auf den Weg gebracht haben. Sowas ist mit ganz, ganz wichtig, weil das gut und gerne einfach vergessen wird. Ansonsten bin ich immer ganz stolz darauf, dass ich so eng mit unserem Frauen- und Familienzentrum zusammen, bin da wirklich involviert mit den Frauen dort. Die machen ganz tolle Sachen. Das reicht von Aufklärung zu Rechtsextremismus über ganz einfache, banale Dinge wie Englischkurse und so weiter. Da sind auch wirklich meine Schwerpunkte, weil ich empfinde das persönlich als total wichtig. In meiner zwölfjährigen Schulzeit ist mir nie etwas Frauenfeindliches entgegengekommen. Aber sobald man die Schule verlässt, ändert sich das. Und ich finde, wir leben immer noch in einer Gesellschaft, in der Frauen nicht gleichwertig behandelt werden, was im Bereich der Politik auch ganz deutlich wird. Deswegen setze ich auch einen Schwerpunkt auf die Frauenpolitik.
Hast du Tipps für Leute, die sich vielleicht zur nächsten Kommunalwahl aufstellen lassen wollen?
Also man braucht auf jeden Fall einen ganzen Sack voll Zeit um ehrlich zu sein. Es ist ja ein Ehrenamt, man macht das also in aller Regel neben dem normalen Job. Also man braucht auf jeden Fall eine ordentliche Portion Engagement um das zu tun. Viel Durchhaltekraft und vor allem auch viel Durchsetzungskraft, weil man auf einmal auf Probleme stößt, die man vorher irgendwie überhaupt nicht parat hatte. Und natürlich, ganz wichtig, eine Fraktion die vollkommen hinter einem steht.
Einladung zum Sommerfest
Das Sommerfest des KOPOFOR ist einer der Höhepunkte des Jahres und eine ideale Gelegenheit, Freund*innen zu treffen und die anderen Mitglieder kennen zu lernen. Neben Politik, Musik und dem leiblichen Wohl steht die Verleihung des diesjährigen Kommunalen Initiativpreises auf dem Programm.
Wir freuen uns, euch am 19. August ab 17 Uhr in Ichtershausen (Lindenplatz 19) zu sehen!
Die Teilnahme steht Interessierten offen. Eine Anmeldung bis zum 10. August wird uns die Organisation erleichtern.