Katja Maurer, kommunalpolitische Sprecherin der Thüringer Linksfraktion und Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Erfurter Stadtrat erklärt, wie sich feministische Kommunalpolitik bei der Stadtplanung soziale Fragen ganz realpolitisch anschaut.
Zunächst: Feminismus betrifft alle Menschen. Wer feministisch ist, streitet im Allgemeinen für eine solidarische Gesellschaft und schaut sich dabei die unterschiedlichen Rollen der Menschen an – aus linker Perspektive bedeutet das: ist die Gesellschaft so ausgelegt, dass sich darin alle Menschen entfalten können und an der Gesellschaft gleichermaßen teilnehmen können?
Feministische Stadtpolitik schaut sich dabei Stadtplanung und soziale Fragen realpolitisch an. Ein Beispiel: Noch immer werden die Fürsorgearbeiten hauptsächlich von Frauen erledigt. Das bedeutet Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung, Haushalt und damit einhergehend alltägliche Aufgaben wie: Lebensmittel einkaufen, das Rezept in der Apotheke einlösen, Kinder zum Sport bringen, Geburtstagsgeschenke kaufen usw. werden überdurchschnittlich oft von Frauen erledigt. Diese Lebensrealität unterscheidet sich grundlegend von Menschen, die diese Aufgaben nicht zu erfüllen haben. Was bedeutet das für die Stadtpolitik z.B. im Bereich des öffentlichen Personen- und Nahverkehrs? Als Politiker*innen müsste ich z.B. dafür streiten, dass Kurzstreckentickets für Bus und Bahn eingeführt werden und dass diese erschwinglich sind. Diese werden nämlich hauptsächlich von Menschen genutzt, die die oben beschriebenen Aufgaben erfüllen. Ähnlich sieht es beim Straßenbau aus: denken wir die Stadt nur aus der Perspektive des Autofahrers, vergessen wir die Menschen, die auf breite Gehwege angewiesen sind – häufig Frauen.
Ähnlich sieht es bei der Aufteilung in Städten und auch im ländlichen Raum aus. Die Bauweise der 60er und 70er sah vor, dass Großwohnsiedlungen und Industrie voneinander getrennt gebaut wurden – ein Leitbild, das ein komfortables Leben versprochen hatte. Die funktionale Trennung der Stadt, also die Trennung von Gewerbe und Wohnen, hat sich spätestens heute als unpraktisch erwiesen. Forderungen nach Infrastruktur vor Ort werden in den Kommunen immer lauter – aus der Perspektive von Menschen, die Sorgearbeit leisten, Kinder betreuen usw. auch vollkommen klar. Denn weite Wege werden im Alltag oft zum kräfteraubenden Akt. Supermärkte, soziale Infrastruktur wie Kindergärten, Beratungsstellen, Ärztehäuser müssen vor Ort sein, damit Menschen Sorgearbeit besser leisten können.
Eine Soziale Stadt- und Raumplanung benötigt daher immer auch eine feministische Perspektive. Der eine oder die andere stellt sich jetzt Fragen: zementieren wir damit nicht gesellschaftliche Rollenbilder, die wir eigentlich ablehnen? Nein! Wenn Frauen, z.B. von einer achtsamen Stadtpolitik profitieren, dann tun es am Ende alle. Barrierefreie Übergänge an Straßen helfen nicht nur Personen mit Kinderwagen, sondern auch geh-eingeschränkten Menschen, Radfahrer*innen usw. Beleuchtete Straßen, sind für alle ein Mehrgewinn, nicht nur für Frauen.